Seit dem Prostitutionsverbot stellen die Sozialberater*innen der Fachberatungsstelle Luis.e und des Frauencafés Mariposa eine Zunahme von überwiegend in Karlsruhe verbliebenen Armutsmigrant:innen fest, die keine nachhaltige ökonomische und soziale Lebensperspektive haben. Der momentane Ausnahmezustand bewirkt, dass diese in der Prostitution tätigen Frauen noch mehr leiden und in einem größeren Risiko leben, noch weiter in soziale und materielle Not zu geraten.
Eine Krise in der Krise
Die Corona-Krise bringt Einschränkungen und Veränderungen für die ganze Bevölkerung. Geflohene gelten als sogenannte vulnerable Gruppe. Sie sind somit anfälliger für Ängste und Unsicherheiten, die durch globale Krisen ausgelöst werden. Für sie wird Corona zur Doppelbelastung.
Gemeinsam mit Simon Kolbe hat unsere Mitarbeiterin Luisa Eyselein einen Artikel im Flüchtling Magazin veröffentlicht. In diesem gehen sie auf die belastenden Faktoren ein und geben praktische Handlungshinweise an Haupt- und Ehrenamtliche in der Arbeit mit Geflüchteten.
https://www.fluechtling-magazin.de/2020/04/16/eine-krise-in-der-krise
Auswirkungen der Corona-Krise auf die internationale Migration
Die Corona-Krise hat das öffentliche Leben in vielen Teilen der Welt zum Stillstand gebracht und die Bewegungsfreiheit zahlreicher Menschen auf Grund von Infektionsschutzmaßnahmen massiv eingeschränkt. Krieg, politische Verfolgung und organisierte Kriminalität existieren jedoch weiter und so sind auch in dieser Krisenzeit viele Menschen auf der Flucht. Sowohl in Deutschland lebende Migrant*innen, als auch Neuankömmlinge an den EU-Außengrenzen, erleben massive Auswirkungen der Corona-Krise: Dienstleistungen werden eingeschränkt, Seenotrettungen erschwert und Asylanträge verweigert.
Pressemitteilung zu den Auswirkungen des Prostitutionsverbot im Zuge der Corona-Krise
Gemeinsam mit der Fachberatungsstelle Luis.e von der Diakonie Karlsruhe, haben wir die Auswirkungen der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen (Verbot der Prostitution) und der Corona-Krise zusammegefasst. Ebenso haben wir konkrete Forderungen an Stadt und Politik beigefügt, wie den Frauen in der jetzigen Lage schnell und unkompliziert geholfen werden kann.
Auswirkungen der Aktuellen Situation auf unsere arbeit
Die Stadt Karlsruhe hat zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus allgemein verfügt, dass jede Art von Prostitution verboten wird. Alle Bordelle haben geschlossen und auch die Prostitution auf dem Straßenstrich ist eingestellt. Viele der Frauen sind bei Familien oder Freunden in ihren Heimatländern bzw. in Deutschland untergekommen. Aktuell befinden sich viele in Notlagen, da sie teilweise keinen Wohnort mehr haben und auch häufig kein Geld, um ihre Existenz zu sichern. So kommen diese Frauen in unsere Anlaufstelle MARIPOSA, um z.B. Unterstützung bei der Aufnahme in Wohnungslosenunterkünfte und bei der Beantragung von ALG zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit den Ämtern, Behörden und anderen Einrichtungen in Karlsruhe ist in dieser Zeit besonders wertvoll. So haben alle Bordellbetriebe Kontaktdaten von uns und der Beratungsstelle Luis.e bekommen, welche an die Frauen weitergegeben werden, damit diese sich bei Hilfebedarf an die Beratungsstellen wenden können.
In vielen der Flüchtlingsunterkünften musste die Sozial- und Verfahrensberatung eingestellt werden, zum Teil gibt es Möglichkeiten zur telefonischen Beratung. Auch andere Hilfsakteure im Asylverfahren mussten ihre Arbeit einstellen oder können nur eingeschränkt Hilfen anbieten. Daher versuchen wir bestmöglich die benötigte Beratung und Hilfen für von Menschenhandel betroffene Frauen zu gewährleisten. Viele der Frauen benötigen besonders in dieser Zeit emotionale Stabilisierungsmaßnahmen.
Wir sind dankbar, dass zum jetzigen Zeitpunkt alle Mitarbeitenden unseres Teams gesund sind und auch alle Bewohnerinnen mit ihren Kindern in unserem Schutzhaus. Ein Teil unserer Mitarbeitenden sind bereits im Home Office, von wo aus wir weiterhin telefonische Beratung, sowie Videoberatung für hilfesuchende Frauen gewährleisten können.
Unsere bekannten Kontaktkanäle/Adressen sind weiterhin aktiv!
Wir arbeiten intensiv weiter, unter Berücksichtigung aller Hygiene- und Schutzmaßnahmen, um allen in der Prostitution tätigen Frauen die individuell benötigten Hilfemaßnahmen zukommen zu lassen und Betroffenen von Menschenhandel schnellen Schutz und sichere Unterbringung zu bieten.
Wir danken von ganzem Herzen für eure Unterstützung!
Mehr als eine Erklärung - Karlsruher Modell ist nötig
Ende März fand in Karlsruhe eine Demonstration mit anschließender Podiumsdiskussion statt, mit dem Ziel ein Sexkaufverbot nach dem Vorbild des Nordischen Modells in Deutschland bzw. in Karlsruhe zu etablieren. Die Einführung eines solchen Modells ist Teil einer tief gespaltenen politischen Debatte über den Umgang mit der Prostitution. Als Organisation, die in Karlsruhe im täglichen Kontakt mit den Frauen ist, um die sich diese Debatte dreht, haben wir versucht, unsere Gedanken in einem kurzen Artikel zusammenzufassen (Ergänzend verweisen wir hier auf unseren Artikel “Menschenhandel und Prostitution” im aktuellen Jahresbericht). Am Ende stellen sich für uns die folgenden konkreten Fragen: Welche Vision hat Karlsruhe im Umgang mit der Prostitution? Wie können wir akzeptierende Hilfe anbieten und gleichzeitig dringend benötigte Kritik am Sexmarkt üben?