Unsere Geschichte

Hintergrund

Die Historie von The Justice Project e.V. beginnt mit der Geschichte einer jungen Nigerianerin, die unter dem Vorwand, dass in Italien ein Job als Kindermädchen auf sie warten würde, nach Europa verschleppt wurde. In Italien angekommen, wurde ihr zuerst der Pass abgenommen und sie wurde zur Prostitution gezwungen, um ihre Reiseschulden zu begleichen. Nachdem die Frau Hilfe bei einer lokalen Kirchengemeinde suchte, wandte diese sich an die örtliche Polizei. Zu ihrem Entsetzen wurde ihnen gesagt, dass diese Art von Aktivität von der organisierten Kriminalität kontrolliert werde und es nichts gäbe, was sie tun könnten. Die Frau verschwand am nächsten Tag spurlos.

Als Justin und Rawan Shrum, die Gründer von The Justice Project e.V., zum ersten Mal von Menschenhandel und der Geschichte jener nigerianischen Frau hörten, arbeiteten sie in einem schnell wachsenden Immobilienunternehmen in den USA. Diese Geschichte und das Schicksal der nigerianischen Frau ergriff ihre Herzen auf eine Art und Weise, die sie nicht einfach ignorieren konnten.

Gründung, motivation & Pionierphase

Wie bei einigen der großen Wohlfahrtsverbänden und Träger sozialer Hilfsangebote, wie der Diakonie und Caritas, war es der aus dem christlichen Glauben der Gründer stammende Wert der Nächstenliebe, der dazu führte, dass Justin und Rawan eine Frage nicht mehr losließ: „Was können wir tun, um Betroffenen von Menschenhandel zu helfen?“. Zu akzeptieren, dass es keine Hilfe für Betroffene geben sollte, kam für sie nicht in Frage und so fühlten sie einen klaren Aufruf sich gegen diese Form des Unrechts und der Ausbeutung zu engagieren.

Dies führte Justin und Rawan auf die Reise, ein Projekt, mit dem Streben nach Gerechtigkeit, The Justice Project, zu gründen und in Europa praktische Hilfsangebote für Betroffene ins Leben zu rufen. Mit diesem sozialdiakonischen Ziel vor Augen zogen Sie im Jahr 2010 nach Karlsruhe und begannen mit dem Aufbau einer Organisation, die sich auf die Identifizierung und Unterstützung von Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und der Arbeit mit Frauen in der legalisierten Prostitution konzentriert.

Die praktische Arbeit von The Justice Project begann mit Teams von Freiwilligen, die sich an Frauen wandten, die im Karlsruher Rotlichtviertel und in den umliegenden Bordellen arbeiteten. Viel Leidenschaft und Engagement zeichnete die damals gestartete Initiative, The Justice Project genauso aus, wie aus heutiger Sicht natürlich das fehlende tiefere Wissen über die Zusammenhänge der Thematik, die Anbindung an das lokale Hilfesystem und die professionellen Strukturen einer heute gewachsenen Hilfsorganisation der Sozialen Arbeit.

Im Jahr 2011 wurden "Beauty Day Events" ins Leben gerufen, zu welchen Frauen eingeladen wurden, um Zeit außerhalb ihrer Arbeitsorte in einer entspannten Umgebung zu verbringen, im Rahmen welcher sie kostenlose Beauty-Angebote von ehrenamtlichen Profis (Freiseur:innen, Kosemetiker:innen etc.) erhalten und das Team kennenlernen konnten. Die Resonanz auf das Salon-Event war überwältigend positiv und die Frauen begannen zu fragen, ob sie regelmäßig kommen und sich treffen könnten, um über ihre Probleme zu sprechen und Hilfe auf verschiedenen Ebenen zu erhalten.

Vom ehrenamt zur sozialen arbeit - Der Weg in die Professionalisierung - Frauencafé Mariposa

Diese positive Resonanz war der Auslöser für die Gründung einer Anlaufstelle, welche von The Justice Project e.V., seit 2014 ein eingetragener und gemeinnützig anerkannter Verein, im Jahr 2015 mit dem Namen “Mariposa Frauencafé” eröffnet werden konnte. "Mariposa" ist das spanische Wort für Schmetterling und ist ein Symbol für Ausdauer, Veränderung, Hoffnung und Leben. Das Frauencafé eröffnete mit den zwei ersten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen sowie weiteren Freiwilligen, die dazu beitrugen, Frauen in der Prostitution ein professionelles und umfassendes Hilfeangebot zur Verfügung zu stellen und bei Bedarf zu weiteren Dienstleistern wie Ärzt:innen, Anwält:innen, Sprachlehrer:innen, Schuldnerberatung, traumatherapeutischen Angeboten, Sozialarbeiter:innen, alternativen Stellenangeboten und mehr zu begleiten.

Bis heute hat sich das Mariposa zu einer professionellen und u.a. kommunal geförderten Fachberatungsstelle mit dem Ansatz der akzeptierenden Hilfe für in der Prostitution tätige Frauen entwickelt und ist ein elementarer Bestandteil der kommunalen und regionalen Hilfesysteme. Die Beratungsstelle bietet ein ganzheitliches System aus offener Anlaufstelle, Aufsuchender Arbeit, Sozialberatung, Unterstützung bei Aus- und Umstiegswunsch und der breiten Vermittlung zu weiteren Hilfsangeboten. Die Angebote der Beratungsstelle richten sich individuell nach dem Bedarf der Klient:in, unabhängig der geschlechtlichen Identität, der Sexualität, Herkunft, Religion oder der Gründe, warum eine Person in der Prostitution / Sexarbeit tätig ist. Auch wenn die überwältigende Mehrheit der Klient:innen Frauen sind, so nehmen zunehmend auch Trans*Personen das Hilfsangebot in Anspruch.

Der nächste Schritt - ein Schutzhaus für Betroffene von Menschenhandel

Während sich die Arbeit von Mariposa weiterentwickelte, war das nächste Ziel von The Justice Project e.V., ein sicheres Haus zu eröffnen und ein begleitendes Integrationsprogramm für Betroffene von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ins Leben zu rufen. Nach der offiziellen Eröffnung im Jahr 2016 und den ersten Bewohnerinnen, erfolgte die offizielle Anerkennung als Unterkunft für Geflüchtete und somit landeten vier nigerianische Frauen, die vor ihren Menschenhändlern in Italien und Spanien geflohen waren, in Karlsruhe und wurden im Schutzhaus von The Justice Project e.V. untergebracht.

Ausbau des Hilfeangebots - Zusätzlicher Fokus auf Frauen aus Nigeria/WEStafrika

Diese bedeutende Entwicklung führte zur Gründung einer zweiten Beratungsstelle und einer Spezialisierung der Fachbereiche von The Justice Project e.V.. Die daraus entstandene Fachberatungsstelle Oase ist speziell auf nigerianische (westafrikanische) Betroffene von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und Frauen, welche im Zuge von Flucht sexualisierte Gewalt erlebt haben, ausgerichtet. Das angebotene Hilfesystem reicht von der Identifizierung in den Karlsruher Flüchtlingsaufnahmezentren, in welchen die Frauen nach ihrer Ankunft in Deutschland registriert werden, über die, sofern notwendig, Unterbringung in unserem Schutzhaus, der Begleitung im Asylprozess bis hin zu einem vorbereitenden Integrationsprogamm. Dank professioneller Partnerschaften mit den zuständigen lokalen Behörden, anderen Hilfsorganisationen, Unternehmen, Netzwerken und lokalen Fachkräften können die betroffenen Frauen konkrete Hilfe finden, mit dem Ziel ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben, frei von Ausbeutung und Gewalt, führen zu können.

Wachstum und Herausforderungen

Der Ausbau der Arbeitsbereiche brachte viele neue Chancen mit sich, aber stellte den noch jungen Verein auch vor große, u.a. finanzielle, Herausforderungen. Es hieß nun den Übergang aus einer Organisation bestehend aus Ehrenamtlichen in eine professionelle Hilfsorganisation mit verschiedenen Aufgabenbereichen und Angestellten, verschiedenen Örtlichkeiten und rechtlichen, strukturellen und organisatorischen Anforderungen zu meistern. Hinzu kam der vertiefende Wissensaufbau in die Thematik, der aus der praktischen Arbeit gewonnene Einblick in die Lebensrealität von Prostitution und Menschenhandel und die dringend nötige Differenzierung der Themenfelder, Begrifflichkeiten und Bedürfnisse der Klient:innen. Ein entscheidender Meilenstein dabei war die erstmalige Förderung von Aktion Mensch (Beginn 2016), welche zusätzlich 1,5 Sozialarbeiter-Stellen ermöglichte und somit einen entscheidenden Beitrag zu der Professionalisierung der Personalstruktur leistete. Darauf aufbauend konnte The Justice Project e.V. in den Jahren von 2018 bis 2022 auf gesunde Art und Weise, aber auch zügig, wachsen - die Arbeit ausbauen, weitere Sozialarbeiterinnen beschäftigen, die Grundsätze professioneller Sozialer Arbeit implementieren und auch die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung und Fundraising professionalisieren.

Aktuell

Heute ist The Justice Project e.V. eine auch über die Stadtgrenzen Karlsruhes hinaus bekannte Hilfsorganisation für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und in der Prostitution tätige Frauen. Das Team ist zu einem großen, professionellen und interdisziplinären Team herangewachsen und vereint ein breites Spektrum an Expertinnen und Experten aus Sozialer Arbeit, Pädagogik und Betriebswirtschaft.

Seit vielen Jahren ist The Justice Project e.V. Mitglied in kommunalen, regionalen, nationalen und internationalen Netzwerken, pflegt intensive lokale Kooperationen zu Ämtern, Behörden und anderen Hilfsorganisationen und versucht durch Öffentlichkeitsarbeit und Prävention eine Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema zu erreichen.

Aus einem tiefen Herzensanliegen von Menschenhandel betroffenen Frauen Hilfe anzubieten, sich gegen Unrecht, Ausbeutung und Gewalt einzusetzen, ist eine Organisation entstanden, welche auf diesen Werten aufbauend den Schritt zu einem professionellen Träger der Sozialen Arbeit gemeistert hat, nach dem Ansatz der akzeptierenden Hilfe über 250 Klient:innen im Jahr intensiv, individuell und bedarfsspezifische berät und begleitet und bis heute mit allen Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, Unterstützenden und Netzwerkpartnern für die Vision von Freiheit, Hoffnung und Gerechtigkeit, sowie ein Ende von Gewalt an Frauen einsteht.

Lasst euch einladen, diesen Weg, auf unterschiedlichste Art und Weise, gemeinsam zu gehen - denn „Alleine können wir wenig bewirken, gemeinsam aber so viel“ (Helen Keller).